Niemals im Gleichgewicht - Entwicklung der Waldökosysteme

Eine populäre Vorstellung eines Naturwaldes ist die eines stabilen Systems, das sich im Gleichgewicht befindet. Wir stellen uns das oft als regelmäßigen Wechsel von Wachstum und Absterben vor. Das ist es aber nicht. Waldökosysteme, auch die Urwälder, folgen einer sukzessiven Entwicklung: Aufbauphase - Reifephase - Altersphase -Verjüngungsphase. Wer im Abstand von ein oder mehreren Jahrzehnten einen Wald besucht, wird niemals den gleichen Wald wieder finden. Ökosysteme bestehen nicht in einem statischen, sondern in einem dynamischen Fließgleichgewicht.

In der Aufbauphase wird noch wenig Biomasse aufgebaut. Die größte Produktivität erreicht ein Wald in seiner Reifephase. Nach der Kulmination des Wachstums auf seinem Maximum, nimmt die Produktivität in der Altersphase wieder ab. Entgegen weit verbreiteter Vermutungen sind die höchsten Produktivitätsraten nicht in den Primärwäldern, sondern in den Kulturwäldern und Plantagen zu finden. Hier ist der Faktor Konkurrenz optimiert und die Bestandesdichte ist auf ihr Produktionsoptimum eingestellt.

Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ durchlaufen Wälder während ihrer Entwicklung starke Veränderungen. Diversität und Komplexität des Ökosystems nehmen zu. In der Aufbauphase dominieren wuchsstarke Pionierbaumarten und Sträucher. In Mitteleuropa sind das z.B. Birke, Erle, Kiefer, Hasel, Eberesche. Diese Arten sind Lichtbaumarten mit relativ geringer photosynthetischer Effizienz. Später kommen Halbschattenarten wie die Eiche, Esche und Bergahorn dazu. Schließlich dominieren Schattenbaumarten wie die Buche oder die Hainbuche die Waldgesellschaften. In der Altersphase (auch Klimaxphase) können Buchenwälder sich zu einschichtigen Galeriewäldern entwickeln, deren geschlossenes Kronendach kaum noch Bodenvegetation zulässt.

Altersphase und Verjüngungsphase gehen meist ineinander über. Dort, wo wieder Licht auf den Waldböden fällt, können Pioniergehölze erneut Fuß fassen und der Zyklus beginnt von neuem. In zahlreichen Waldgesellschaften spielt Feuer eine entscheidende Rolle in der Sukzession. In so genannten Feuerklimax-Gesellschaften sorgen Bodenfeuer für die Mineralisierung der Bodenstreu und erst die Hitze der Flammen öffnet die gut geschützten Samenkapseln der Bäume. In der kalifornischen Sierra Nevada kann sich der Mammutbaum (Sequoiadendron giganteum) nur auf diese Weise natürlich vermehren.

 

 
Sukessionsphasen 1-4 und den jeweiligen EntwicklungsphasenA, R und Z im borealen Nadelwald (oben) und im tropischen Feuchtwald (unten).
Quelle: Brünig, E.F. (1986): Terminologie für Forschung und Lehre in den Fachgebieten und Vorlesungen. Mitt. der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft, Hamburg, 213 S..
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© C. Sander 2003