Hoch hinauf - Wie Bäume wachsen

Schichtenmodell. Die Erfindung des Lignins und die Entwicklung eines Meristemrings unterhalb der Rinde, dem Kambium, bilden das Erfolgskonzept, das den Baum zu einem der vorherrschenden Lebewesen auf diesem Planeten gemacht hat. Das Lignin gibt dem pflanzlichen Spross, seinen Ästen und Wurzeln ausreichende und dauerhafte Festigkeit, das Kambium sorgt für den Dickenzuwachs. In gemäßigten und borealen Klimaten ist die Kambialaktivität auf die Sommermonate beschränkt. Dadurch kommt es zu einer deutlichen Zonierung des Zuwachses, den Jahrringen. Im tropischen Tageszeitenklima kann das Kambium kontinuierlich neues Gewebe bilden. So erneuern Bäume ihre Leitungs- und Speicherungsorgane ständig. Es entsteht gewissermaßen kontinuierlich ein neuer Baum. Endogene Einflüsse (Genetik, Physiologie) sowie exogene Faktoren (Klima, Standort, Konkurrenz) beeinflussen das Wachstum. Mit der Variation des Zuwachses befasst sich die Dendrochronologie.

Aufbruch. Nach der Keimung des Samens bilden sich als erstes Grün zunächst charakteristische Keimblätter. Der typische Spross sowie die Wurzel entwickeln sich. Am Ende des ersten Jahres hat der junge Spross bereits neue Knospen gebildet. Wenn die Knospen später austreiben, sind die Triebe bereits ausdifferenziert, sie erfahren lediglich ein Streckungs- und Differenzierungswachstum. Die Triebstreckung ist meist innerhalb weniger Wochen abgeschlossen, während das sekundäre Dickenwachstum noch bis zum Spätsommer andauert. Viele Laubbaumarten, aber auch einige Nadelbäume sind in der Lage, mehrere Triebe pro Jahr zu bilden. Man spricht von proleptischen, oder auch von Johannistrieben.

Triebgesteuert. Die wichtigste physiologische Aktivität findet in den Teilungsgeweben der Triebspitzen (Apikalmeristem) und dem Wurzelmeristem (Kalyptrogen) statt. Wuchsstoffe (Phytohormone), wie die Auxine stimulieren das Streckungswachstum des Haupttriebes und hemmen zugleich die Seitentriebe (apikale Dominanz). Sie fördern außerdem die Teilungsaktivität des Kambiums. Der pflanzliche Hormoncocktail beschränkt sich aber nur auf fünf Stoffe bzw. Stoffgruppen, die synergistisch oder antagonistisch wirken (Auxin, Gibbereline, Cytokinine, Abscisine, Ethylen). Was die Phytohormone von menschlichen Hormonen wesentlich unterscheidet, ist ihre unspezifische Wirkung. Ein Pflanzen-Hormon kann verschiedene physiologische Vorgänge auslösen bzw. hemmen. Daher sollte ihre Bedeutung nicht überbewertet werden. Am besten lassen sich die Wachstumsprozesse im Baum verstehen, wenn man ihn als kompartmentiertes Wesen begreift, dessen Elemente teilautark wirken, partiell kooperieren aber auch konkurrieren können.

Alterung. Der Zuwachs eines vitalen Baumes erreicht meist mach wenigen Jahrzehnten sein Maximum und nimmt dann mit zunehmendem Alter ab. Dies trifft sowohl für das Längenwachstum der Triebe als auch für die Jahrringbreite zu. Während die Meristeme der Bäume praktisch nicht altern, da sie sich ständig selbst erneuern, unterliegt der Gesamtorganismus Baum sichtbaren Alterungsprozessen. Dies zeigt sich in abnehmender Vitalität und zunehmender Anfälligkeit gegen exogene Schadfaktoren. Mikroorganismen besiedeln den Baum und führen dann früher oder später zum Absterben. Interessanterweise finden sich die ältesten Bäume nicht in den Tropen, wie viele Menschen vermuten, sondern an klimatischen Grenzstandorten, meist im Hochgebirge. Die ältesten Bäume der Welt sind Borstenzapfenkiefern in Kalifornien, wo sie in über 3000 m Meereshöhe annähernd 5000 Jahre alt werden können.

Literatur:

BRAUN, H.J., 1988: Bau und Leben der Bäume.
Rombach-Verl. Freiburg, 295 S.

LARCHER, W., 2002: Physiological plant ecology. Ecophysiology and stress physiology of functional groups.
Springer-Verl.: Berlin, Heidelberg, New York, 513 S.

SCHWEINGRUBER, F.H:, 1993: Jahrringe und Umwelt - Dendrooökologie. Birmensdorf, Eidgen. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. 474 S.

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  < Frühjahrserwachen:
Finnische Birken im Mai
   
 
Keimung: Aus dem Samen (hier eine Eichel) entwickeln sich Sproß und Wurzel. Gesamtansicht)
keimende Eichel  
Erstes Grün: Keimblätter und Folgeblätter (hier bei Bergahorn) unterscheiden sich im Aussehen deutlich voneinander >
< Einige Wochen später: gegenständige Blätter aufeinanderfolgender Blattwirtel sind stets gekreuzt angeordnet (Äquidistanz).
Knopspen enthalten im Herbst schon den voll ausgebildeten embryonalen Trieb, der sich im Frühjahr zu einem vollen Jahrestrieb entwickelt >
   
    < Nachgesetzt: "Johannistrieb" bei Eiche. Neugebildete Knospen treiben noch im selben Jahr aus (Prolepsis).
< Das Kambium umgibt den gesamten Holzkörper des Stammes. Es bildet nach innen Holzzellen und nach außen Bast (Foto: Schweingruber)
   
< Jahrringe: Jedes Jahr ein "neuer Baum". Die Jahrringbreite ist Ausdruck endogener und exogener Einflüsse auf den Zuwachs.
 
    < Stress: Partielles Ausbleiben der Holzbildung bei einer Fichte aus einem Waldschadensgebiet.
       
       
       
       
   

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