Der Blick zurück - Ein Kalender aus Holz

Bäume haben meist sehr unterschiedliche Zuwächse, so dass es zunächst erstaunlich erscheint, dass man ein gemeinsames Signal aus den Jahrringbreiten von Bäumen eines Standorts oder einer Region herauslesen kann. Was aber alle Bäume eines Standortes gemeinsam beeinflusst, ist der jährliche Wechsel klimatischer Größen wie Temperatur und Niederschlag. Über die Schwankungen der Assimilation wirken sich diese Variablen nämlich auch auf den Zuwachs aus. Daher steckt die Klimainformation vor allem in den jährlichen Schwankungen der Jahrringbreiten - im Jahrringmuster. Vergleicht man die Jahrringmuster verschiedener Bäume einer Art auf einem Standort, so lassen sich diese synchronisieren, da sie sich ähneln. Durch arithmetische Mittelung der synchronisierten Jahrringfolgen wird schließlich das gemeinsame Signal verstärkt und das Differenzsignal herausgefiltert. Es entsteht eine Jahrringchronologie.

Synchronisiert man nun Jahrringfolgen aus älteren - aber zeitlich überlappenden - Perioden derart, dass die Muster in den Endbereichen gut übereinstimmen und wiederholt man diesen Vorgang mit zunehmend älterem Holz, so lassen sich lange Standardchronologien erstellen. Diese werden von Dendrochronologen dann z.B. benutzt, um alte Bauhölzer oder archäologische Hölzer genau zu datieren. Sofern am Holz noch Rinde vorhanden ist, lässt sich das Fälljahr exakt bestimmen. Um diese Arbeit zu beschleunigen, verwenden Dendrochronologen mathematisch-statistische Methoden auf dem PC als Hilfsmittel. Diese errechnen mögliche Synchronlagen innerhalb weniger Sekunden. Allerdings gehört stets noch eine Menge Erfahrung dazu, um zu brauchbaren Datierungen zu kommen. Auf diesem Wege ist es inzwischen gelungen, zahlreiche historische Bauwerke, archäologische Holzfunde und Kunstgegenstände zu datieren.

In historischen Bauwerken können mit Hilfe der Dendrochronologie Bauphasen rekonstruiert werden und der baugeschichtlichen Forschung damit wichtige Daten geliefert werden. Ebenso sind alte Kunstgegenstände und hölzerne Musikinstrumente mit Hilfe der Dendrochronologie datierbar. Schon manche "echte" Stradivari wurde dadruch entzaubert oder das Original eines großen Meisters als spätere Kopie entlarvt.

Zusätzlich verrät das Holz auch einiges über seine Herkunft. Denn durch die regionalen Variationen des Klimas lassen sich Hölzer über statistische Methoden mit verschiedenen Regionalchronologien abgleichen und räumlich gut zuordnen. So konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass die alten niederländischen Meister auf Gemäldetafeln aus polnischem Eichenholz gemalt haben. Mit dendrochronologischen Methoden lassen sich also auch Handelswege aufdecken. Klimaforscher benutzen die Chronologien zur Klimarekonstruktion.

Literatur:

KLEIN, P., ECKSTEIN, D., 1988: Die Dendrochronologie und ihre Anwendung. Spektrum der Wissenschaft Jan. 1988, 56-67

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Entstehung einer Standardchronologie: Die Jahrringfolgen lebender Bäume werden schrittweise durch historisches und archäologisches Material ergänzt.


Datierung von Holz: Eine Jahrringkurve (oben) wird gegen eine Standardchronologie (unten) solange verschoben, bis eine Synchronlage gefunden wird. Sie passt dann wie ein Schlüssel ins Schloss.
(Nach KLEIN und ECKSTEIN 1988)

 

   

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